06 Mai 2020 ID: 302305
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Das Formel 1 Comeback von Honda

Das Formel 1 Comeback von Honda
Erfahrene Beobachter zweifelten nie daran, dass Honda bei seiner Rückkehr zur Formel 1 wieder gewinnen würde.

 

Von David Tremayne, englischer Motorsport-Journalist und F1 Korrespondent von The Independent. Zur redaktionellen Nutzung freigegeben.

 

Satigny, den 06. Mai 2020 – Auch wenn Honda bei seiner Rückkehr zur Formel 1 im Jahr 2015 schwere Zeiten durchmachen musste, wussten jene, die ihre dominierenden Motoren in den späten 1980er und den frühen 1990er Jahren erlebt hatten, wie unermüdlich das japanische Unternehmen bei der technischen Entwicklung und bei seinem Erfolgsstreben war.

 

Zu Beginn der Saison 2019 sagten sie voller Zuversicht voraus, dass Honda noch vor Saisonhalbzeit einen Sieg erringen würde. Und sie sollten Recht behalten, denn Max Verstappen gewann in seinem Red Bull RB15 den Grossen Preis von Österreich. Sie verstanden die Denkweise, mit der Honda an das F1-Engineering heranging, und während das Personal zwangsläufig gewechselt hatte, blieb die grundlegende Philosophie des Unternehmen exakt die gleiche.

 

Als Toro Rosso in der Saison 2018 zum Honda RA618H wechselte, stellte man fest, dass sich dieser Motor deutlich von seinem Vorgänger unterschied. Honda verwendete weiterhin das gleiche System eines kolbenbetriebenen Split-Turboladers, der seit den Anfängen der Turbo-Hybrid-Formel im Jahr 2014 erfolgreich von Mercedes eingesetzt wurde. Von Anfang an bot der Motor Volumenvorteile, obwohl dieser weiter hinten im Chassis untergebracht war, weil der Turbokompressor vorne am Zylinderblock montiert wurde, denn das hintere Ende des Triebwerks war weniger voluminös. Dies sorgte für einen kleinen aerodynamischen Vorteil bei der Formgebung der Motorhaube und beim Reinmachen des Luftstroms, bevor dieser den Heckflügel erreichte.

 

Während dieser Saison fanden regelmässige Meetings statt, an denen Honda, Toro Rosso und Ingenieure von Red Bull Technology teilnahmen. Red Bull sah sich die Leistungen von Toro Rosso an und gelangte zu der Überzeugung, dass eine Partnerschaft mit Honda der richtige Weg für die weitere Entwicklung ab 2019 sein werde. Besonders beeindruckt war Red Bull davon, dass die Ingenieure von Toro Rosso dermassen beflügelt wurden, zum einen durch die Bereitschaft von Honda zu einer wirklich engen Zusammenarbeit und zum anderen durch die Ermutigung von Input bei der Konfektionierung von Komponenten.

 

Ein weiterer Pluspunkt war, dass der RA619H-Motor im Wesentlichen mit dem RA618H sehr vergleichbar war, und noch mehr mit dem RA617H aus 2017, was eine effiziente Integrierung des Motors im Chassis des Red Bull RB15 ermöglichte. Mit der Zeit wurde Red Bull vollständig in die relevanten Informationen eingeweiht und der Teamboss Christian Horner war wirklich sehr begeistert von den Dingen, die er gesehen hatte, und verkündete, dass dieser Integrationsprozess der Beste war, den er je erlebt hatte. Das war keine Übertreibung. In Interviews offenbarte Horner auch, wie sehr seine Ingenieure die erstmalige Zusammenarbeit mit einem echten Motorpartner genossen, und nicht bloss mit einem Zulieferer.

 

Toro Rosso hatte bereits im Jahr 2018 bemerkt, dass der Honda RA618H ziemlich leistungsstark war, und Pierre Gasly war schon damals sehr zufrieden mit seiner Leistung. Als der neue RA619H im Winter 2018/19 erstmals auf dem hausinternen Dynamometer lief, war von Anfang an klar, dass seine Leistung vielversprechend war. Horner beschrieb den Motor als „Rakete“.

 

Als Max Verstappen den RA619H erstmals in seinem Red Bull RB15 beim ersten Barcelona-Test testete, war er über die Motorleistung höchst begeistert, und sagte, dass er ganz ohne Zweifel mehr Leistung als im Jahr 2018 habe, und auch, dass er nicht spitzenlastig („peaky“) sei und dass er einen breiten Leistungsbereich biete. Zudem konnte die Leistungsübertragung verbessert werden, was ein sanfteres Herunterschalten ermöglichte, wodurch das Fahrzeug sowohl beim Bremsen als auch beim Herunterschalten in Kurven stabiler wurde.

 

Beim Formel-1-Auftaktrennen in Melbourne zeigte sich, dass gegenüber Mercedes und Ferrari noch Defizite bei der Höchstleistung bestanden, doch im Laufe der Saison wurden im Triebwerk drei separate Weiterentwicklungen integriert und jede von ihnen stellte eine Verbesserung dar. Bei Saisonmitte war Verstappen der Überzeugung, dass sie mit Mercedes gleich auf lagen, und mit der Zeit, als sie in höhere Höhenlagen in Mexiko-Stadt kamen, die rund 2.300 Meter über dem Meeresspiegel liegt, sah es so aus, als ob sie mehr Power als ihre Rivalen hätten.

 

Beim Grossen Preis von Spanien sorgten überarbeitete Frontflügel und Endplatten für eine Verbesserung der Fahrzeugbalance, und weitere kleine, aber kritische Upgrades in Kanada, Frankreich und Österreich machten das Fahrzeug schliesslich konkurrenzfähig. Mit zunehmender PU-Zuverlässigkeit waren die Fahrer in der Lage, die Motoren sowohl beim Qualifying als auch bei den Rennen härter zu fordern.

 

Die Entwicklung des Triebwerks und des Chassis machten sich schliesslich bezahlt, als Verstappen den dramatischen Grossen Preis von Österreich gewann, auf der Heimstrecke von Red Bull, und so Honda zum ersten Formel-1-Sieg seit 2006 in Ungarn verhalf. Zwei Rennen später konnte er einen weiteren brillanten Sieg heimfahren, beim Regenrennen in Deutschland, bei dem viele Rivalen folgenschwere Fehler begingen. Red Bull, Toro Rosso und Honda machten auch im weiteren Verlauf der Saison Fortschritte, doch erst zum Jahresende erstrahlte die Partnerschaft in ihrem vollem Glanz. Verstappen, Red Bull und Honda waren wieder an der Spitze, dominierten in Brasilien und erzielten so den beeindruckendsten ihrer Siege.

 

Honda siegte am Ende also wieder im Jahr 2019, so wie es die treuen Anhänger vorhergesagt hatten. Nicht nur einmal, sondern dreimal. Und Max Verstappen wurde dritter in der WM-Gesamtwertung, hinter dem dominanten Mercedes-Duo. Zudem war auch das Schwesterteam Toro Rosso erfolgreich, mit Daniil Kvyat, der in Deutschland Dritter wurde, und Pierre Gasly, der in Brasilien Zweiter wurde, womit Honda bei diesem Rennen die Plätze 1 und 2 belegte. Mit dem Red-Bull-Fahrer Alex Albon hätten es auch die Plätze 1, 2 und 3 werden können, wenn es nicht in der Schlussphase zu diesem Zwischenfall mit Lewis Hamilton gekommen wäre.

 

Angesichts eines so starken ersten gemeinsamen Jahres sind Honda und Red Bull der festen Überzeugung, dass sie in der Saison 2020 grosse Dinge erreichen können – sofern so etwas wie eine Saison in Gang kommt.

 

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Von David Tremayne. Rechtefrei für redaktionelle Zwecke.
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